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Gewichtige Probleme

Etwa jeder zehnte Deutsche ist adipös. Auch Reha-Kliniken müssen sich darauf einstellen.

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Die Zahl der Übergewichtigen und Adipösen hat auch unter den Reha-Patienten stark zugenommen.
Die Zahl der Übergewichtigen und Adipösen hat auch unter den Reha-Patienten stark zugenommen. © pixabay.com/jarmoluk

Große Betten und Toilettensitze, die 200 Kilogramm und mehr aushalten, Duschen in Sondermaßen, spezielle Rollstühle und Beckenlifte – die sächsischen Rehakliniken stehen vor einem gewichtigen Problem. Denn die Zahl der Übergewichtigen und Adipösen hat auch unter ihren Patienten stark zugenommen. 

„Erschreckend viele junge Menschen leiden schon an Übergewicht“, sagt Johanna Kunze, Chefärztin der Psychosomatischen Rehaklinik Carolabad in Chemnitz, in der auch Adipositaspatienten behandelt werden. „Fast jedes zehnte Zimmer konnten wir bereits für diese stark Übergewichtigen umbauen. Das ist sehr teuer und viele Kliniken scheuen deshalb den Aufwand.“ Doch die Ausstattung sei es nicht allein, man brauche auch spezielle Programme zur Behandlung des krankhaften Übergewichts.

Körperfett als Schutzhülle gegen Traumata

„Als psychosomatische Klinik sehen wir immer auch die seelische Komponente hinter dem Übergewicht. Denn das Fett hat bei vielen eine wichtige Aufgabe, es fungiert zum Beispiel Schutzhülle gegen traumatische Lebenserfahrungen“, so Johanna Kunze. In Einzel- und Gruppengesprächen werde das bearbeitet. Und natürlich auch das Ernährungsverhalten. „Bei uns gibt es keine Diät und keine Lightprodukte“, sagt die Chefärztin. Da der Stoffwechsel in Gang gehalten werden muss, bekommen die Adipositaspatienten mindestens drei Mahlzeiten am Tag. Sie würden aber hinsichtlich der Auswahl und der Menge der einzelnen Komponenten von erfahrenen Ernährungstherapeuten angeleitet. Betroffene Patienten könnten ost gar nicht mehr genießen. Genusstraining sei deshalb eine wichtige Therapie.

Ein häufiger Ernährungsfehler der Adipösen sei ihr zufolge das falsche Trinkverhalten: Junge Patienten trinken bis zu drei Liter Süßgetränke pro Tag. Gegessen werde gar nicht so viel. „In der Gruppe zu essen, ist den meisten unangenehm. Sie haben sich die gemeinsamen Mahlzeiten abgewöhnt, um den verletzenden Bemerkungen der Schlanken zu entgehen. Gegessen wird dann in der Regel unbeobachtet, vor allem abends und nachts.“ Doch in der Rehaklinik gebe es 18 Uhr Abendessen – die letzte Mahlzeit des Tages bis morgens 8 Uhr. „Das müssen die meisten wieder ganz neu lernen.“

Körperliche Aktivität braucht Selbstbewusstsein

Ein weiterer Therapieschwerpunkt ist die Bewegung. „Vielen Übergewichtigen fehlt dafür das Selbstbewusstsein.“ Sie zeigen sich nicht gern in Sport- oder Badebekleidung. Doch sie verlieren die Scheu, wenn sie merken, dass sie damit nicht allein sind. Für Übergewichtige sind solche Sportarten geeignet, die die Gelenke nicht zu stark belasten, zum Beispiel Radfahren, Walken und vor allem Aquafitness. „Die Bewegung funktioniert fast mit jedem Gewicht. Viele Patienten zeigen sich begeistert beim Sport, weil sie sich lange Zeit nichts mehr zugetraut haben.“

Auch in puncto Kleidung gebe es Nachholebedarf. „Dicke gehen oft im Schlabberlook, um nicht zu viel von ihrem Körper zu zeigen. Doch das ist falsch.“ Deshalb arbeitet die Klinik mit einer Boutique zusammen, die Bekleidung in Übergrößen anbietet und außerhalb ihrer Öffnungszeiten die Adipositaspatienten individuell berät. „Da leben manche wieder richtig auf. Sie drehen sich vor dem Spiegel und freuen sich über ihr neues Äußeres“, sagt Kunze. Das motiviere dann zusätzlich.

In sechs Wochen Reha sind maximal fünf Kilogramm Gewichtsabnahme möglich. „Zu Hause weiterzumachen und sich gegen Versuchungen zu wehren, ist Thema in den Gesprächsgruppen“, so Kunze.